Handelsblatt Interview zu neuen U.S. Sanktionen
Dana Heide vom Handelsblatt verfasste Anfang August einen Artikel zu den neuen U.S. Sanktionen gegen Russland. Sie hatte dazu Fragen an Dirk Hagemann.
Hier der gesamte Artikel vom 04.08.2017 im Wortlaut und als PDF-Download:
"Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte bereits klare Worte gefunden, bevor US-Präsident Donald Trump das neue Gesetz überhaupt unterzeichnet hatte:
Es sei völkerrechtswidrig, sagte sie. Diese Einschätzung teilen auch unabhängige Experten. Konkret geht es um den Passus im Gesetz, dieser es dem US-Präsidenten erlaubt, Sanktionen gegen „Personen“ zu verhängen, die mit ihren Investitionen Russland dabei unterstützen, Pipelines zum Energieexport zu bauen. Er erlaubt der US-Regierung also explizit, auch ausländische Unternehmen für ihre Kooperation mit Russland zu bestrafen. Eine nationale Regierung darf jedoch nur seine eigenen Unternehmen und Bürger sanktionieren, nicht aber ausländische. „Es ist im Grunde juristischer Konsens, dass solche extraterritorialen Sanktionen völkerrechtswidrig sind“, sagt Dirk Hagemann, Rechtsanwalt für Außenwirtschaftsrecht. Es gibt nur wenige Ausnahmen von dieser Regel, etwa wenn die Regierung nationale Sicherheitsinteressen nur durch Verhängung dieser Sanktionen gewährleistet sieht. US-Präsident Trump versuchte am Mittwoch, die Wogen zu glätten. In einem Statement betonte er, dass eine „verbesserte Formulierung“ im Gesetz auch auf das Feedback der „europäischen Verbündeten“ hin passiert sei. Er meinte damit den Zusatz, dass diese Sanktionen „in Koordinierung mit den Verbündeten der Vereinigten Staaten“ verhängt werden können.
Bei einem Verstoß gegen das Völkerrecht bleiben der EU und Deutschland jedoch nicht viele Möglichkeiten für Gegenmaßnahmen. Die EU könnte vor das Schiedsgericht der Weltorganisation WTO ziehen. Am Ende eines Prozesses, der meist mehrere Jahre dauert, könnte stehen, dass die EU ihrerseits Sanktionen verhängen darf. Die EU könnte zudem auch Strafzölle gegen bestimmte US-Unternehmen verhängen. Doch beide Maßnahmen würden betroffenen europäischen Unternehmen nicht kurzfristig helfen. Zudem stünden sie vor einem Dilemma: Denn die deutsche Außenwirtschaftsverordnung (§7 AWV) verbietet es deutschen Firmen, sich an Boykotten zu beteiligen, die ihnen von ausländischen Regierungen aufgezwungen werden. Wer dennoch eine entsprechende Erklärung abgibt, verstößt gegen das deutsche Recht. „Die Praxis zeigt, dass viele Unternehmen aus Unwissenheit Erklärungen unterschreiben, in denen sie sich verpflichten, sich an die Sanktionen zu halten“, warnt Rechtsanwalt Hagemann. Parallel dazu gibt es eine EU-Verordnung von 1996 (Verordnung 2271/96), die Entsprechendes regelt. Allerdings ist nicht eindeutig, ob diese auch auf den aktuellen Fall der US-Sanktionen gegen Russland angewendet werden kann. Auf der einen Seite wären Unternehmen also verpflichtet, sich an deutsches beziehungsweise europäisches Recht zu halten. Auf der anderen Seite würden sie von den USA bestraft, wenn sie die US-Sanktionen nicht beachten. Es gibt jedoch einen Kniff, um dem Dilemma zu entgehen. Unternehmen, die beschließen, ihr Geschäft den Sanktionen entsprechend anzupassen, könnten andere Gründe vorschieben."
Dana Heide
Handelsblatt, Nr .149